Statement zum Reglement In- und Auslandhilfe
Anlässlich der Parlamentssitzung vom 9. September 2025 wurde das Reglement über die Spezialfinanzierung In- und Auslandhilfe beschlossen. Die In- und Auslandhilfe hat in Münsingen Tradition. Die Basis dazu wurde auf Antrag aus der Bevölkerung an einer Gemeindeversammlung 1971 gelegt, eine Pioniertat. Heute steht die Auslandhilfe unter Druck von rechts. Da ich ein Referendum erwartet habe, habe ich in meinem Statement auch ein paar grundsätzliche Facts fürs Abstimmungsbüchlein einfliessen lassen. Hier mein Script:
Statement Parlamentssitzung vom 9. September 2025 – Andreas Wiesmann Traktandum 3 - Reglement über die Spezialfinanzierung In- und Auslandhilfe - Revision per 01.01.2026
Weltweit lebten im Jahr 2023 rund 821,7 Millionen Menschen unter der absoluten Armutsgrenze von 3 US-Dollar pro Tag, was 10,2 % der Weltbevölkerung entsprach.
Weltweit sind schätzungsweise 148 Millionen Kinder unter fünf Jahren chronisch unterernährt und 45 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden an akuter Mangelernährung.
Gemäss einem UNESCO Bericht vom Oktober 2024 können heute 251 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter keine Schule besuchen. Ungleich stärker betroffen sind marginalisierte Gruppen: Mädchen, Kinder mit Behinderungen, Kinder aus abgelegenen Gebieten oder sprachlichen und ethnischen Minderheiten.
In den letzten Jahren wurden Fortschritte erzielt trotzdem leben immer noch sehr viele Menschen in Armut. In Ländern mit tiefem Einkommen ist die Kindersterblichkeitsrate etwa zehnmal höher als bei uns. Zudem bedrohen gegenwärtige Krisen den weiteren Fortschritt der Armutsbekämpfung. So haben Hunger und Unterernährung infolge von Covid-19, Klimawandel und Krieg in der Ukraine wieder zugenommen, nachdem sie jahrelang zurückgegangen waren. Der von Donald Trump angeordnete Ausstieg von USAID könnte nach einer aktuellen Studie in den kommenden fünf Jahren mehr als 14 Millionen zusätzliche Tote zur Folge haben und die AIDS Pandemie neu befeuern. Es bleibt also viel zu tun.
Selbstverständlich basiert diese globale Armutsreduktion auf viel mehr als nur auf der Entwicklungszusammenarbeit. Die Forschung zeigt jedoch klar: Viele Entwicklungsprojekte haben eine enorm positive Wirkung und haben das Leben der Menschen nachhaltig verbessert. Dank neuen Forschungsmethoden, zum Beispiel randomisierten Feldstudien, kann die Wirkung heutzutage sehr gut gemessen werden. Solche Studien belegen, dass die Entwicklungshilfe klare Effekte erzielen kann.
Im Gesundheitsbereich zum Beispiel hat die globale Gemeinschaft durch Impfkampagnen Millionen von Menschenleben gerettet. Allein die Masernimpfung verhindert schätzungsweise über zwei Millionen Todesfälle pro Jahr. Investitionen in Bildung wiederum haben nachweislich dazu geführt, dass das Einkommen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach dem Schulabschluss steigen. Dadurch erlangen erwiesenermassen nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern später auch ihre Kinder einen höheren Lebensstandard. Aufgrund der höheren Bildung und der besseren Gesundheitsversorgung sinken auch die Geburtenraten, so dass heute die Anzahl Kinder auf der Welt praktisch nicht mehr wächst.
Andere Forschungsresultate zeigen, dass Infrastrukturinvestitionen wie der Bau von Hängebrücken, welche isolierte Gemeinden mit Marktzentren vernetzen, das regionale Wachstum stark ankurbeln. Studien belegen, dass solche Brücken das Einkommen der Menschen um über einen Viertel erhöhen können, indem sie ihnen direkteren Zugang zu Märkten für Landwirtschaftsprodukte und zur Teilnahme am Arbeitsmarkt eröffnen. Erst kürzlich wurde beispielsweise die zehntausendste Hängebrücke in Nepal eingeweiht. Diese Brücken sind dank Schweizer Unterstützung entstanden und haben das Leben von 19 Millionen Menschen nachhaltig verbessert.
Die Forschung zeigt also, dass viele Projekte einen enorm hohen Wirkungsgrad haben – und dies in ganz verschiedenen Bereichen. Sei es im Gesundheitsbereich, etwa durch Malarianetze oder Impfkampagnen, in der Bildung, zum Beispiel durch Gratis-Schulmahlzeiten oder Stipendien, bei Infrastrukturprojekten, beispielsweise durch Zugang zu sauberem Wasser oder durch den Bau von Brücken oder Strassen, oder sei es im Bereich der Gouvernanz, zum Beispiel durch international unterstützte Gerichts- oder Steuerreformen.
Eine implizite Annahme ist oft, dass die Schweiz viel Geld in arme Länder schickt. Eine ETH-Studie zeigt, dass der Grossteil der Schweizer Bevölkerung massiv überschätzt, wie viel Entwicklungshilfe der Schweizer Staat effektiv leistet. Rund 80 Prozent der Befragten wussten nicht, dass es sich um weniger als 450 Franken pro Person und Jahr handelt. Damit ist die Schweiz weit unter dem Uno-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE); ein Ziel, das die Uno mehrmals bekräftigt hat. Andere Länder wie Schweden, Norwegen oder Deutschland setzen über 0,8 Prozent ihres BNE für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ein.
Rund zwei Drittel der Stimmbevölkerung wünschen sich laut ETH-Studie denn auch eine Erhöhung der Schweizer Entwicklungshilfe. Als Hauptgründe geben die Befragten die Wahrung des Weltfriedens, die Reduktion der Folgen des Klimawandels und die Solidarität an. Die Schweizer Bevölkerung will mehr helfen. Wir wollen mehr helfen.
Die Grundlage für die In- und Auslandhilfe von der wir heute sprechen, hat dann auch seinen Ursprung in der Zivilgesellschaft und wurde mit einem klaren Volksentscheid an einer Gemeindeversammlung im 1971 initiert.
Wir sind überzeugt, dass mit dem vorgelegten revidierten Reglement und dem Antrag der GPK eine gute und sinnvolle reglementarisch Grundlage für die Spezialfinanzierung In- und Auslandshilfe geschaffen wird, ganz im Geist unserer Vorgänger*innen.